Medien im Unterricht – eine Diskussion

Herr Larbig hat einen interessanten Beitrag über Medien im Unterricht verfasst, in dem er wiederum auf einen Artikel von Fontanefan reagiert. Ich möchte hier im Sinne einer Diskussion einige Gedanken aufgreifen und kommentieren.

Schon der Begriff „Power-Point-Präsentation“ ist nämlich Werbung, da damit ein proprietäres Produkt zum „Standard“ erhoben wird und z.B. die Präsentationsmöglichkeiten im Bereich der OpenSource-Software ausgeblendet werden.

Diesen Punkt möchte ich unterstreichen. Oft genug wird der Begriff sogar noch verkürzt: „Wir erstellen eine Powerpoint“. Ich halte es für eine zentrale Aufgabe der Medienpädagogik, die Botschaft in den Vordergrund zu stellen und erst im zweiten Schritt eine reflektierte Auswahl des Mediums zu treffen. „Wir halten einen Vortrag. Welches Werkzeug sollen wir dazu verwenden?“

Ist Medienpädagogik also Schleichwerbung für z.B. die Computerindustrie? Dem wäre so, wenn Medienpädagogik das Ziel hätte, z.B. den Computer erst einzuführen. Hier wird übersehen, dass Medienpädagogik, zumindest an Schulen, dann doch eher eine reagierende Pädagogik ist. In ihr werden nicht die innovativen Produkte der Zukunkft „vermarktet“, sondern auf eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung aufgegriffen

Dabei hat Medienpädagogik die Aufgabe, zur Reflexionsfähigkeit gegenüber diesen Entwicklungen zu führen. Dass mit diesen Entwicklungen auch Fragen der „Kurzlebigkeit“ der Produkte verbunden sind, hat nichts damit zu tun, dass medienpädagogisch aktive Lehrende die Industrie förderten, sondern damit, dass sich in der Gesellschaft eine Entwicklung ergeben hat, die es notwendig macht, solche Medien in den Fokus zu nehmen – und zwar sowohl von der reflektierenden als auch von der praktischen Seite her.

Oft hört man den Einwand von „Computergegnern“, dass man in der Medienpädagogik (sei es im expliziten Medienunterricht oder im Fachunterricht mit Einsatz „neuer Medien“) der Verbreitung und dem Einsatz von Computern nur noch Vorschub leiste. Das übersieht meines Erachtens, dass diese Verbreitung Realität ist, dass Schüler mit Computern und dem Web spielen, kommunizieren, teilweise auch arbeiten und dass sie das wollen. Wenn die Schule hier nicht aktiv beratend und richtungsweisend tätig wird, wird der Umgang mit diesen Medien ein Produkt des Zufalls. Ein bewusster und reflektierter Umgang wird sicherlich nicht das Ergebnis sein.

Andererseits ist es ebenfalls meine Erfahrung, dass ein gezielter, reflektierter (und auch gekonnter) Einsatz „neuer Medien“ Kontakte zu vielen intelligenten Menschen aufbauen kann, die so sonst nicht entstanden wären. Auch ich nenne keine Namen, aber schon dieser von Fontanefan angeregte Diskussionsbeitrag ist genau so eine Möglichkeit des produktiven Umgangs mit Medien und deren Inhalten.

Diese Erfahrung habe ich selbst viele Male gemacht (unter anderem, indem ich diesen Beitrag schreibe, obwohl ich Herrn Larbig noch nicht getroffen oder mit ihm eine persönliche Zeile ausgetauscht habe). Allerdings muss ich diese Erfahrung noch stärker kommunizieren: sowohl an Schüler als auch an Kollegen. Denn ich selbst stütze einen Teil meines Interesses und meiner Begeisterung für das Web auf die Erfahrung, wie oft ich schon Hilfe und Kooperation erfahren habe, die ohne das Web nicht möglich gewesen wäre. Ich möchte daher künftig versuchen, Schülern und Kollegen mehr Einblicke in diese Seite des Webs zu geben: Wie bekomme ich in einem Forum Hilfe? Wie kann ich Kooperationspartner für einem Projekt gewinnen? Wie kann ich selbst anderen bei Fragen helfen, in denen ich selbst mich auskenne? Solche Aspekte müssen in meiner medienpädagogischen Arbeit mehr in den Vordergrund rücken.

Allerdings ist gerade Stolls Sichtweise eine vom Web 1.0 geprägte Position, in der die partizipierende Teilhabe des Web 2.0 noch unberücksichtigt bleibt. Stoll kritisiert den reinen Konsumcharakter, den der Umgang mit dem Internet in weiten Teilen – auch noch in Web 2.0 Zeiten – hat. Und damit spricht er ein wichtiges Problem der Mediendidaktik und -pädagogik an.

Der Einwand des Konsums wirf häufig vorgebracht. Allerdings übersehen die Kritiker meines Erachtens oft, dass aktive Partizipation auch in anderen Lebensbereichen meist nicht von selbst kommt. Viele Leute lesen Bücher, wenige Leute schreiben selbst Texte. Viele Leute sehen fern, wenige nehmen eine Kamera in kreativer Absicht in die Hand. Viele Leute surfen im Netz …

Der Unterschied ist meines Erachtens, dass es mit den Technologien des Web 2.0 einfacher und vielfach überhaupt erst möglich wird, im Alltag aktiv partizipierend an einer größeren Sache teilzunehmen. In der Vor-Internetzeit hätte ein junger Mensch zwar tolle Geschichten schreiben können, aber die Chance, diese unter die Leute zu bringen, wäre extrem niedrig gewesen. Heute kann ein Jugendlicher (wenn nötig mit leichter Anleitung) in Minuten eine Website einrichten und seine Werke präsentieren, wenn er oder sie das möchte. Diese Chancen aufzuzeigen und einen bewussten Umgang damit zu fördern, halte ich für eine wichtige Aufgabe von Lehrern. Denn hier können Talente gefördert und Erfolgserlebnisse auf ganz anderer Ebene geschaffen werden. Ein toller Aufsatz oder eine spannende Kurzgeschichte konnte früher vom Lehrer gelobt und vielleicht im Klassenraum ausgehängt werden. Mit der Veröffentlichung auf der Schulwebsite oder in einem Klassenblog erreicht die Anerkennung und potentielle Breitenwirkung aber eine ganz neue Stufe. (Beispiele: Gedichte einer fünften Klasse, Fotoroman einer elften Klasse, Illustrierte MiniSagas einer zehnten Klasse).

Ich habe selbst schon das Phänomen beobachtet, dass Lernende, die mit Hilfe des Internets eigene Produkte erstellen sollen, plötzlich vor dem Problem stehen, dass sie gar nicht wissen, wie das geht. Hier reproduziert sich ein Problem, das ich auch in anderen – analogen! – Lernprozessen beobachten kann, denn mit Hilfe von Büchern ist das Erstellen eigener, die Ergebnisse aufgreifenden, übertragenden und z.B. für eine Präsentation umgestaltenden Produkte mit ebenso großen Problemen verbunden, trotz Anleitungen.

Dem stimme ich zu. Ich erinnere mich z.B. an die eigenen Schwierigkeiten, im Grundstudium mit Hilfe von Texten eine Hausarbeit zu schreiben. Ich hatte ständig das Gefühl, im Grunde nur abzuschreiben – und das, obwohl ich nicht per Copy & Paste Inhalte übertrage konnte. Denn das Copy & Paste Prinzip funktioniert auch, wenn man Textpassagen von Hand abtippen muss. Zur Klarstellung: ich wollte nicht kopieren, ich wusste aber auch zunächst nicht, wie ich aus dem Gelesenen etwas Eigenes machen sollte. Das hat einige Zeit gedauert (geschätzte drei bis vier Semester), während derer dieses Gefühl, eigentlich nur zu kopieren, immer schwächer geworden ist. Das Gefühl, Inhalte wirklich sinnvoll rezipiert und in einen eigenen sinnvollen Beitrag umgesetzt zu haben, hatte ich erst bei der Examensarbeit (wenn ich das richtig erinnere).

Insofern ist das Abkupfern heute zwar leichter geworden. Es stellt aber keineswegs ein neues Phänomen dar – und nicht immer ist es Faulheit. Manchmal ist es auch Hilflosigkeit vor der verlangten Kreativleistung.

Und ja: Die Nutzung des Internets ist in vielen Fällen tatsächlich auf Informationsbeschaffung beschränkt. Das gilt auch für Bücher, die oft mehr der Informationsbeschaffung als dem Lernen dienen. Doch gerade hier setzen ja all jene an, die die Nutzung des Web 2.0 „propagieren“. Hier wird versucht, das Internet für Lernprozesse fruchtbar zu machen und gleichzeitig eine solide Bildung im kompetenten und produktiven Umgang mit dem Web 2.0 zu ermöglichen, denn dies ist heute, neben all den anderen Inhalten und Kompetenzen, die mit einer soliden Bildung verbunden sind, ein wichtiger Teil einer solchen Bildung.

Und hier ist auch ein wichtiger Ansatzpunkt in der Diskussion, ob man denn heute überhaupt noch Fakten lernen und Wissen erwerben müsse, wo doch praktisch „alles“ im Internet stehe. Denn meines Erachtens ist das Wissen der erste notwendige Schritt, um zu „Bildung“ zu gelangen.

Wenn ich nichts weiß, habe ich in einer Diskussion nichts Sinnvolles beizutragen. Wenn also das Web 2.0 Partizipation erlaubt, dann brauche ich für eine sinnvolle Partizipation Inhalte, die ich beitragen kann. Ansonsten nimmt das die Form an, die man im Computerraum mit jüngeren Schülern häufig beobachten kann: Es gibt ein Forum, ich schreibe was: „Hallo ihr“. „Ja hallo.“ „Was macht ihr so.“ „Ich sitz hier so rum.“ … Es gibt nichts zu sagen, die „Konversation“ ist nichtig. Bevor diese Schüler partizipieren können, müssen sie zuerst mal etwas gelernt haben. Das können sie dann (partizipatorisch oder für sich allein) umsetzen, um irgendwann bei einer Form von Bildung anzulangen.

Es ist daher meines Erachtens auch nicht „altmodisch“, manche Dinge zunächst auswendig zu lernen. Ich erinnere mich (wenn auch jetzt gerade ohne Beleg) gelesen zu haben, dass große Komponisten wie Mozart oder Beethoven als Kinder selbstverständlich zunächst viele Werke auswendig lernten und sich dabei natürlich intensiv damit auseinandersetzten. Später wurden sie hochkreativ, aber diese Kreativität braucht zunächst mal eine Basis von Material, mit dem sie wirken kann.

Ein anderes Beispiel aus meinem Grundstudium in Biologie: dort gab es ein Bestimmungspraktikum, bei dem man die Namen von unzähligen Tieren und Pflanzen in der direkten Umwelt lernte. Zunächst nur ein Name für eine Pflanze. Auswendig gelernt. Nicht die geringste Transfer- oder gar Kreativleistung. Aber: wenn ich die Pflanzen nicht beim Namen kenne, habe ich überhaupt keine Chance, mehr über sie zu lernen und am Ende ihre Anatomie, Physiologie oder Ökologie zu verstehen. In diesen Bereichen kann ich später im Studium zu Transfer oder sogar kreativer Forschungsleistung gelangen.

Der Wissenserwerb (die Informationsbeschaffung) muss aber voraus gehen.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert