Verlage möchten auf Schulrechnern schnüffeln

Die Schulbuchverlage planen, jährlich ein Prozent der Schulen digital zu durchsuchen, um illegale Kopien ihrer Werke ausfindig zu machen. Sie haben sich gedacht, dass die Schulträger dabei ja gut helfen könnten und die Kultusminister der Länder fanden das auch gut – also haben sie einen Vertrag geschlossen (PDF), der diese Durchsuchung festlegt.

Datenschutzrechtlich ist das natürlich höchst bedenklich:

Ob der Staat Lehrer und Schüler überhaupt zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen von Privatunternehmern überwachen und ausspionieren darf, ist m.E. ganz generell zu hinterfragen. Denn eine gesetzliche Grundlage für diesen Grundrechtseingriff ist nicht ersichtlich.

Ganz unabhängig davon, dass Lehrer und Schulleiter damit gezwungen werden, sich durch das unübersichtliche Dickicht des deutschen Urheberrechts zu schlagen und dabei auch noch ein persönliches Haftungsrisiko in Kauf nehmen müssen.
Thomas Stadler – Fachanwalt für IT-Recht

Die Reaktion im Netz ist intensiv und inzwischen berichten auf etablierte Medien. Eine Übersicht hat netzpolitik.org.

Lesenswerte Reaktionen von Lehrerkollegen gibt es natürlich auch. Besonders zu empfehlen:

Darüber hinaus erklärt Rainer Kuhlen im netethics-Portal der Uni Konstanz einige Grundlagen zu den Vereinbarungen der Länder mit den Verlagen. Er stellt auch einige sinnvolle Fragen, z.B.

Warum nutzen die Länder ihre große Macht gegenüber den Verlagen und Verwertungsgesellschaften nicht aus, um brauchbare Lösungen auszuhandeln oder um unbrauchbare Lösungen zu verhindern?
[…]
Warum hat man nicht als Minimum ausgehandelt, dass die Lehrer sehr wohl im Sinne der obigen Frage scannen dürfen, wenn sie das Resultat dann brav als Papierkopie verteilen? Das ist natürlich heute 2011 schon absurd wenig genug.
[…]
Wie sollen Schulen und SchülerInnen für das digitale Zeitalter fit gemacht werden, wenn den Schulen nicht erlaubt ist, den Schülern einer Klasse auch elektronische Materialien zugänglich zu machen?
[…]
Warum hat man dies [die Erlaubnis, bis zu 12 % eines Werkes im Kontext des Unterrichts analog zu kopieren] aber nicht auf eine eng begrenzte elektronische Nutzung durch die Mitglieder der Klasse ausgeweitet?
Nicht nur „Schnüffelsoftware, sondern im Gesamtvertrag über den Tisch gezogen: Schulen sollen analog bleiben

Fazit

  • Bildungsinteressen werden – mal wieder/wie immer – Unternehmensinteressen untergeordnet (und zwar auf der Prioritätenliste weit nach unten).
  • In den Worten von Herrn Rau: »Was geschehen müsste: Endlich eine Änderung des Urheberrechts, zefix!«
  • Freie Lerninhalte sind dringend notwendig, um von den Verlagen unabhängiger zu werden. Das ist eine Sisyphos-Arbeit (ich versuche das in Mini-Schritten z.B. auf herr-kalt.de), scheint mir aber unausweichlich. Auch dazu hat Herr Rau einen Vorschlag und einen Link, Martin Kurz einen ganzen Artikel.

 

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