Schwärme

Zur Zeit kann man auf den Feldern und auf Stromleitungen und Bäumen wieder Schwärme von Staren beobachten. Schon ein recht kleiner Schwarm mit siebzig, achtzig Tieren ist beeindruckend, wenn er direkt über einen wegfliegt. Eine ganz andere Qualität bekommt das Erlebnis aber, wenn sich Schwärme mit vielen Tausend Tieren bilden. Dylan Winter hat ein faszinierendes Video von solchen immensen Schwärmen in Otmoor, England gedreht. Unterstrichen durch die Musik, ist das ein atemraubendes Naturschauspiel.


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Lage von Otmoor


Ot Moor, UK auf einer größeren Karte anzeigen

Warum machen die Vögel das?

Sich in Schwärmen zusammen zu finden, gehört zum Sozialverhalten der Stare. Dylan Winter nennt in seinem Video verschiedene Gründe für das Verhalten:

  • Schutz vor Fressfeinden: Viele Augen sehen Feinde eher, die Feinde haben es schwer, in einem großen Schwarm einzelne Tiere anzugreifen und der Schwarm selbst wirkt als Gesamtgebilde möglicherweise groß und abschreckend.
  • Aufwärmen vor der kalten Nacht durch körperliche Betätigung (zumindest in Otmoor scheinen die Stare nur im Winter dieses Verhalten zu zeigen).
  • Soziales Verhalten, bei dem evtl. Rangordnung ausgehandelt wird, da beim Niederlassen am Boden die dominanten Männchen die wärmsten Plätze auf dem Boden besetzen.

Wie machen die Vögel das?

Interessanter ist die Frage, wie die Vögel sich koordinieren, um sich zeitweise mit hunderten oder sogar tausenden von Artgenossen synchron zu bewegen.

Während man früher unter anderem dachte, dass Tiere in solchen Schwärmen auf eine uns unbekannte Art kommunizieren müssten, versteht man inzwischen die Zusammenhänge besser und hat Theorien und Modelle entwickelt, um das Schwarmverhalten auch zu simulieren.

Es hat sich gezeigt, dass relativ wenige einfache Regeln, die auf der Ebene des einzelnen Tieres wirksam sind, ausreichen, um in der Summe die beobachteten Bewegungsmuster im Schwarm hervorzubringen. Ein solches Modell namens Flocking kann man im Browser ausprobieren (erfordert Java). In der Einleitung wird erklärt, dass das Modell für jeden Vogel drei Regeln zugrunde legt:

  1. Ausrichtung (alignment): Ein Vogel versucht sich so auszurichten, dass er mit anderen Vögeln in die selbe Richtung fliegt.
  2. Abstand (separation): Ein Vogel ändert seine Richtung, wenn ein anderer Vogel zu nahe kommt
  3. Zusammenhalt (cohesion): Ein Vogel versucht, sich anderen Vögeln zu nähern, außer wenn ein anderer Vogel zu nahe kommt.

Dabei hat die Abstandsregel Vorrang, bis ein Mindestabstand erreicht ist. Die Vögel bewegen sich im Modell immer mit konstanter Geschwindigkeit.

Eine ausführliche Darstellung über die Forschung in diesem Bereich findet sich in einem Artikel des Audubon Magazine: Flight Plan.

Selbstorganisation als biologisches Prinzip

Das Prinzip der Organisation von Prozessen über lokale Regeln und nicht mit Hilfe einer zentralen »Planungsstelle« ist in der Biologie verbreitet. Bei der Embryonalentwicklung organisieren sich die Zellen ebenfalls nach diesem Prinzip. Richard Dawkins schreibt in »The Greatest Show on Earth« im Kapitel »You did it yourself in nine months«.

The key point is that there is no choreographer and no leader. Order, organization, structure – these all emerge as by-products of rules which are obeyed locally and many times over, not globally. And that is how embryology works. It is all done by local rules, at various levels but especially the level of the single cell. No choreographer. No conductor of the orchestra. No central planning. No architect. In the field of development, or manufacture, the equivalent of this kind of programming is self-assembly. — Richard Dawkins: The Greatest Show on Earth, Kapitel »You did it yourself in nine months«, E-Book S. 382 von 1004.

Im entsprechenden Kapitel wird deutlich, dass hochorganisierte Strukturen in der Natur emergieren können, ohne dass es einen »Bauplan« oder einen zentralen Koordinator gibt. So wie die Starenschwärme sich verhalten, als wären sie ein einziges »Wesen«, so organisieren sich Zellen aufgrund lokaler Regeln zu einem Organismus. Die Komplexität auf dem Level eines Vogels oder einer Zelle ist nicht sehr groß. Die Komplexität des Ergebnisses hingegen schon.

Auch die Evolution läuft ähnlich ab: Ungerichtete Variationen auf der Ebene einzelner Tiere bringen in der Summe und über ausreichend viele Generationen mit Hilfe der selektierenden Umweltbedingungen hochorganisierte Strukturen hervor, ohne dass diese von zentraler Stelle entworfen oder »designt« werden – auch wenn das für uns beim Betrachten des »Endprodukts« schwer zu glauben ist.

Darüber hinaus sind diese Phänomene ein schönes Beispiel dafür, dass die Tatsache, dass man ein Phänomen versteht, kein bisschen seine Schönheit und seine Faszination schmälert. Darum hier noch mal zwei Videos.

Noch mehr Stare in Otmoor

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Ein Fischschwarm

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