Kommerzielle Überwachung und Datenschutz

Im November 2014 erschien im Auftrag der österreichischen Bundesarbeitskammer eine Studie mit dem Titel »Kommerzielle digitale Überwachung im Alltag«. Hauptautor ist Wolfie Christl.

Ziel der Forschungsarbeit war es, einen umfassenden Blick darauf zu werfen, wie die Speicherung, Verknüpfung und Verwertung von digitalen persönlichen Daten heute im Detail funktioniert und wel- che gesellschaftlichen Implikationen sich daraus ergeben. Nicht zuletzt sollte eine Antwort auf die dringende Frage gefunden werden: Was tun?

Wolfie Christl: Kommerzielle digitale Überwachung im Alltag, S. 4.

Die Studie gibt einen guten Überblick über die heutigen Möglichkeiten, Ziele und Mechanismen kommerzieller Überwachung. Wer sich schon länger mit Datenschutz und Privatsphäre beschäftigt, wird erwartungsgemäß vieles finden, das bereits bekannt ist. Allerdings waren für mich auch viele neue Aspekte enthalten bzw. konnte ich viele vage Vorstellungen konkretisieren und unklare Konzepte besser verstehen.

Zum Beispiel wusste ich nichts vom deutschen »Listenprivileg«:

eine Ausnahmeregelung im deutschen Datenschutzrecht, die die Nutzung von personenbezogenen Daten zu Werbezwecken, zur Markt- und Meinungsforschung sowie die (gewerbliche) Weitergabe an Dritte erlaubt. Nach § 28 und § 29 des deutschen Bundesdatenschutzgesetzes dürfen Adresslisten mit Name, Anschrift, Geburtsjahr, Beruf und die „Zugehörigkeit der Betroffenen“ zu einer bestimmten „Personengruppe“ unter bestimmten Bedingungen verarbeitet, genutzt und übermittelt werden. Da die Anzahl der Listen nicht beschränkt ist, können durch die erwähnte Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe eine Vielzahl an Listen mit jeweils anderen Eigenschaften erstellt werden. Eine Zustimmung der Betroffenen ist dazu nicht erforderlich, die Betroffenen können allerdings der Nutzung ihrer Daten widersprechen („Opt-out“).

Wolfie Christl: Kommerzielle digitale Überwachung im Alltag, S. 9.

Auch die Prognosemöglichkeiten auf der Basis verschiedener Daten oder Metadaten wie z.B. Facebook-Likes oder auch dem Rhythmus der Tastaturanschläge waren mir in dieser Breite noch nicht geläufig (siehe z.B. »Predictive Analytics: Ausgewählte Problemfelder und Beispiele«, S. 14 ff).

Ein ganzes Kapitel geht auf »Datenhungrige Geräte und Plattformen« ein und zeigt unter anderem die Zusammenhänge auf, die sich aus der Kombination von Tracking und kommerziellen Interessen ergeben, z.B. die Verknüpfung von Überwachung im Auto mit der Gewährung von Versicherungstarifen oder auch »Rabatte« in der Krankenversicherung, wenn man bereit ist, mit Hilfe eines »Fitness-Armbands« der Versicherung Daten zur Verfügung zu stellen. Diese beiden Beispiele wurden in den letzten Monaten insofern akut, als es in Deutschland erste Anbieter solcher Tarife gibt (in den USA ist das natürlich schon länger relevant). Juli Zeh hat der SZ dazu neulich ein lesenswertes Interview gegeben: Wir werden manipulierbar und unfrei.

Das fünfte Kapitel (»Das Geschäft mit den persönlichen Daten«) zeigt die kommerziellen Interessen und einige große Firmen in diesem Geschäft auf. Auch hier gibt es – wie ich finde – viele wichtige Einblicke finden und Zusammenhänge zu lernen.

Die »Schlussfolgerungen« (Kapitel 6) zeigen in knapper und klarer Form Handlungsmöglichkeiten für verschiedene Zielgruppen (z.B. Politik, Unternehmen, Bürger) auf.

Insgesamt finde ich diesen Text sehr lesenswert für alle, die sich in der digitalen Welt bewegen. Auch mit Schülern könnte man ihn bearbeiten (z.B. arbeitsteilig einzelne Kapitel in Gruppen erarbeiten und sich gegenseitig vorstellen oder auch Poster daraus erstellen, die in der Schule ausgestellt werden).

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Weiteres Material, um Schüler über das Thema zu informieren und sie zu sensibilisieren, ist das ebenfalls empfehlenswerte Buch Die Datenfresser von Constanze Kurz und Frank Rieger.

Außerdem habe ich mal eine Unterrichtseinheit zu Privatsphäre und Datenschutz erstellt.1

Schließlich habe ich bei Pinboard inzwischen viele Links zum Thema Datenschutz gesammelt: https://pinboard.in/u:retemirabile/t:datenschutz.

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Thematisiert Ihr solche Dinge mit Euren Schülern? Falls ja, in welchem Kontext und mit welchem Material? Das würde mich sehr interessieren!


1 Leider sind dort zur Zeit nicht mehr alle Links funktionsfähig, weil ich intensiv Material von klicksafe benutzt habe. Das ist eigentlich eine tolle Ressource, aber leider verschieben die regelmäßig Artikel, ohne eine Weiterleitung einzurichten, so dass Links ins Leere laufen. Einige Artikel scheinen auch komplett entfernt worden zu sein, seit ich vor zwei Jahren das Material zusammen gestellt habe. Dennoch funktionieren die meisten Sachen noch: Privatsphäre und Datenschutz.

 

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