Constanze Kurz, Frank Rieger: Die Datenfresser – Datenschutz als Schullektüre

Kaum ein Schüler an einer weiterführenden Schule ist nicht in einem sozialen Netzwerk angemeldet. Die meisten Lehrer und Eltern sehen das durchaus kritisch, wenn auch oft nur diffus. Wenn man darüber diskutiert, ist das Hauptargument meist der ominöse Personalchef, der irgendwann bei einer Bewerbung mal was finden könnte, was den sich bewerbenden Schüler in einem schlechten Licht erscheinen lassen könnte. Kein sehr überzeugendes Szenario, zumal meiner Erfahrung nach die meisten Schüler inzwischen grundlegende Privatsphäre-Einstellungen einhalten, so dass ihre Profile nicht komplett öffentlich sind.

Datenschutz und Privatsphäre sind Konzepte, die für junge Menschen erfahrungsgemäß abstrakt sind und deren Bedeutung sie nur schwer erfassen können.

Das Buch Die Datenfresser von Konstanze Kurz und Frank Rieger stellt dem ausführliche und in vielen Teilen sehr anschauliche Informationen entgegen. Nach der Lektüre hat man einen umfassenden Eindruck, wie und wo die eigenen Daten gesammelt, bearbeitet und genutzt werden können und welche Risiken neben den Potentialen existieren.

Inhalt

Hier die Kapitelübersicht aus der PDF-Leseprobe.

Einleitung
Homo reticuli – Vernetzter Mensch

1. Bezahlen Sie mit Ihren guten Daten
Der Informationstreibstoff von Google, Facebook & Co.

2. Die schlauen Maschinen
Algorithmen, Scoring, Kohorten und Verhaltensvorhersagen

3. Kein Vergeben, kein Vergessen?
Wie das digitale Gedächtnis funktioniert

4. Die Datenprofiteure
Nutznießer und Propagandisten des »Endes der Privatsphäre«

5. Nur noch mit Maske zum Einkaufen?
Was Biometrie in Zukunft bedeutet

6. Wir wissen, wohin du gehst!
Orte, Wege, Bewegungsprofile

7. Aber ich habe doch nichts zu verbergen!
Von Irrtum und Anmaßung einer hohlen Phrase

8. Wohin die Reise geht
Drei Tage im Jahre 2021

9. Das digitale Ich
Praktische Wege zu einer neuen digitalen Mündigkeit

»Die Datenfresser« in der Schule lesen

Ich habe das Buch selbst mit Gewinn gelesen und weil ich es für wichtig halte, dass jeder junge Mensch, der sich im Internet bewegt, zumindest die grundlegenden Mechanismen der Datennutzung durch Unternehmen und Staat kennen sollte, habe ich es letztes Schuljahr auch auszugsweise mit einer NwT-Gruppe (Klasse 10) bearbeitet.

Laut Bildungsplan für NwT in Baden-Württemberg (PDF) sollen die Schüler

[D]ie Fähigkeit [entwickeln], sich in einer technisch und naturwissenschaftlich geprägten Welt zu orientieren;

Bildungsstandards für Naturwissenschaft und Technik, Profilfach Gymnasium, Klasse 10 (PDF)

sowie

[E]ine kritische Aufgeschlossenheit für neue Technologien [entwickeln].

Bildungsstandards für Naturwissenschaft und Technik, Profilfach Gymnasium, Klasse 10 (PDF)

Außerdem sollen sie

vertiefte Kenntnisse über Systeme der belebten und unbelebten Natur und der Technik [entwickeln].

Bildungsstandards für Naturwissenschaft und Technik, Profilfach Gymnasium, Klasse 10 (PDF)

All das scheint mir durch eine vertiefte und kritische Auseinandersetzung mit dem Internet und speziell dem Social Web und seiner Rolle im Alltag gefördert zu werden.

Das Buch »Die Datenfresser« ist bei der Bundeszentrale für politische Bildung für 4,50 EUR (Stand 31.10.2012) erhältlich, was den Einsatz als Schullektüre natürlich enorm erleichtert.

Einsatz im Unterricht

Da der NwT-Unterricht weitgehend projektorientiert gestaltet ist, haben wir das Buch auszugsweise »nebenher« gelesen. Die Schüler haben einzelne Kapitel als Leseaufträge bekommen und die Kapitel kollaborativ im Wiki aufgearbeitet.

Die Übersichtsseite zur Lektüre sah folgendermaßen aus:

datenfresse-uebersicht-wiki.png

Eine einzelne Kapitelseite:

datenfresser-beispielseite.png

Hier ein Beispiel, was zwei Schüler zum Kapitel »Bezahlen Sie mit Ihren guten Daten« als »Alltagsbezüge« notiert haben.

Die Kapitel und die Eintragungen der Schüler haben wir dann immer mal wieder in einzelnen »Nischen« während der Projektphase besprochen. Aus den Gesprächen haben sich meist auch praktische Erfahrungen und Datenschutztipps von einzelnen Schülern und von mir ergeben, die wir auf einer eigenen Wiki-Seite gesammelt haben.

Die Rückmeldung der Schüler zu diesem Thema und zur Lektüre waren positiv. Natürlich hat sich gezeigt, dass bei Weitem nicht alle Schüler die Kapitel auch wirklich (ganz) gelesen hatten (vor allem während der anstrengenderen Projektphasen ging das Engagement auf den Wiki-Seiten spürbar zurück) – wie das wohl immer ist bei Lektüren. Dennoch scheint es mir zumindest das Bewusstsein der Schüler geschärft zu haben. Und das ist ja schon mal ein Anfang.

 

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