Organisation des Unterrichts während der Corona-bedingten Schulschließung

Im Folgenden skizziere ich das Konzept, das wir uns an meiner Schule, dem Kreisgymnasium Neuenburg, überlegt haben, um das Lernen unserer Schüler/innen und den Unterricht in den kommenden Wochen während der Corona-bedingten Schulschließung weiterhin zu ermöglichen. Ich veröffentliche diese Ideen hier in Absprache mit meiner Schulleitung, weil wir denken, dass der Austausch untereinander in dieser neuen Situation wertvoll und wichtig ist.

[Update 27.04.2020] Am 23.04.2020 berichtete das ZDF in der Kindernachrichtensendung Logo! über unser Konzept.
Beitrag „Unterricht per Videochat“ ansehen.

Wie alle anderen Schulen haben wir uns ab Donnerstag Abend und am Freitag zusammengesetzt (teilweise via Videokonferenz, weil einige Lehrer/innen zu Hause waren, das sie sich in Risikogebieten ausgehalten hatten, bevor es Risikogebiete waren), um zu überlegen, wie der Unterricht während der Schulschließung weitergehen oder wie er ersetzt werden könnte. Folgende Überlegungen waren uns dabei wichtig:

  • Unsere Schüler/innen sollen sich während der Zeit der Schließung möglichst weiterhin regelmäßig mit den schulischen Inhalten auseinandersetzen. Zum einen, weil uns diese Inhalte wichtig sind und wir sie für relevant halten. Zum anderen, weil eine so lange Pause bei vielen große Rückschritte bezüglich bereits gelernter Inhalte erzeugen würde, die sie später mühsam wieder aufholen müssten.
  • In Deutschland beginnt die Corona-Welle erst. Es ist davon auszugehen, dass die Situation in den nächsten Wochen schlimmer wird. Regelmäßiger Kontakt zur Schule, zu den Mitschülern und zu den Lehrer/innen kann helfen, den Tagen Struktur zu geben und auch psychisch unterstützend wirken.
  • Wir sehen diese Krise auch als Chance, das eigenständige Lernen und die Nutzung digitaler Werkzeuge voranzubringen, so dass unsere ganze Schulfamilie bezüglich des Lernens und des eigenen Selbstbildes hoffentlich gestärkt aus der Krise hervorgeht.

Konzept: Aufgaben + Kommunikationskanal + Videokonferenzen nach festem Stundenplan

Unser Konzept (nennen wir es einmal den „Neuenburger Fernunterricht)“ steht auf drei Säulen:

  1. Bereitstellung von Materialien und Lernaufgaben über unser bereits vorhandenes schulisches Unterrichtswiki.
  2. Ermöglichung von Kommunikation über unser kürzlich eingeführtes Schul- und Lernmanagementsystem Edupage.
  3. Regelmäßiger persönlicher Austausch über Lerninhalte durch Videokonferenzen.

Bereitstellung von Materialien

Wir nutzen seit Längerem ein DokuWiki als Intranet und Unterrichtsplattform. Viele Schüler/innen sind mit der Arbeit im Wiki vertraut und wissen, wie sie sich dort zurechtfinden. Die Authentifizierung läuft per LDAP über den Schulserver. Daher haben wir nun für alle Klassen eine Wiki-Seite angelegt, auf der einerseits alle organisatorischen Informationen stehen und andererseits die Aufgaben der einzelnen Fächer gepostet werden. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Schüler/innen wissen, dass sie alles Wichtige an diesem einen zentralen Ort finden.

Das von uns eingesetzte Edupage bietet auch umfangreiche E-Learning-Möglichkeiten, die wir allerdings bisher noch nicht ausgelotet haben. Das werden sich einige Kolleg/innen in den kommenden Tagen sicherlich auch noch näher anschauen.

Denkbare Alternativen — Natürlich gäbe es viele andere Möglichkeiten, diesen zentralen Lernort bereitzustellen: Ein Schulmoodle oder eine andere Lernplattform, die man schulweit einsetzen kann. Möglich wäre auch eine Nextcloud-Installation bei der einzelne Klassen passwortgeschützte Unterordner haben, in denen die Materialien liegen. Nextcloud bringt auch Online-Texteditoren mit, so dass man hier auch Informationsaustausch betreiben könnte.

Kommunikation

Die möglichst direkte und zuverlässige Kommunikation untereinander ist ein zentraler Aspekt des Lernens und besonders wichtig, wenn man sich nicht persönlich sieht. Wir nutzen dafür nun unsere Edupage-Instanz, die wir u.a. als digitales Klassenbuch vor einiger Zeit eingeführt haben. Damit haben wir ein Nachrichtensystem und auch Chatfunktionen, die DSGVO-konform sind und die ganze Schulgemeinschaft einbinden.

Wichtig ist meines Erachtens, dass alle Beteiligten wissen, auf welchem Kanal sie am besten kommunizieren und dass diese Kommunikation möglichst ohne Umwege stattfindet.

Denkbare Alternativen — Hier gäbe es die Alternativen, die gerade überall ausprobiert bzw. implementiert werden: WebUntis Messenger, schul.cloud, Schulmanager Online etc.

Videokonferenzen nach festem Stundenplan

Lernen ist idealerweise ein sozialer Prozess, der durch die regelmäßige Interaktion mit einer Lerngruppe sehr gefördert wird. Daher möchten wir während der Zeit der Schließung die Schüler/innen zwei Mal pro Vormittag jeweils dreißig Minuten lang in Videokonferenzen mit ihren Lehrer/innen einbinden. Unser Stundenplaner hat dazu in phänomenalem Tempo einen „Rumpfstundenplan“ erstellt, in dem zunächst für die erste Woche die Hauptfächer vorhanden sind. Für die Folgewochen sehen wir, wie es funktioniert und ob wir das auf die Nebenfächer ausdehnen. Einige Fächer eignen sich nicht für den Fernunterricht und fallen daher weg (z.B. Sport).

Alle nötigen Informationen zu diesem Vorgehen finden die Schüler/innen auf den o.g. Klassenseiten im Unterrichtswiki, ebenso die Zeiten der Videokonferenzen und technische Anleitungen dafür. Natürlich gibt es auch Support (per Telefon oder E-Mail) – sowohl für die Kolleg/innen als auch für die Schüler/innen.

Als Software werden wir Zoom ausprobieren, das von vielen Seiten als die zuverlässige Lösung genannt wurde. Jede Lehrer/in bekommt einen „Raum“ in Zoom, dessen URL den Schüler/innen ebenfalls über die o.g. Klassenseiten kommuniziert wird. Zusammen mit dem Stundenplan wissen die Schüler/innen dann, zu welchen Zeiten sie sich in welchen „Video-Raum“ begeben müssen. Zoom funktioniert auf allen Plattformen und erfordert für die Schüler/innen keinen Account.

Da Videokonferenzen mit sehr großen Gruppen nicht gut funktionieren, haben wir jede Klasse in zwei Gruppen eingeteilt. Auch diese Einteilung finden die Schüler auf den Klassenseiten.

Der Zeitplan sieht so aus, dass es am Vormittag zwei Blöcke gibt, die grob unserer 3./4. und 5./6. Stunde entsprechen. Das sieht beispielhaft so aus:

  1. Von 9:20 bis 9:50 Uhr trifft sich Gruppe 1 der 8a zur Videokonferenz Deutsch. Da sind dann ca. 12 – 15 Schüler/innen anwesend. Die Anwesenheit wird kontrolliert und wie üblich im digitalen Klassenbuch vermerkt. Fehlt jemand, werden die Eltern informiert.
  2. 10 Minuten Pause für die Lehrer/in
  3. Von 10:00 bis 10:30 Uhr trifft sich Gruppe 2 der 8a zur Videokonferenz Deutsch.

Der zweite Block funktioniert entsprechend ab 11:30 Uhr.

In den Videokonferenzen kann man nun zum Beispiel eine besonders knifflige Aufgabe gemeinsam lösen, Erkenntnisse aus den Aufgaben besprechen, für eine neue Aufgabe motivieren, die Aussprache von Wörtern üben oder mit den Schüler/innen darüber sprechen, wie es im Lernprozess weiter gehen soll. Stark geht es darum, die Schüler/innen bei der Stange zu halten, ihnen zu verdeutlichen, dass es auf sie selbst ankommt und sie auch zu loben, wenn man merkt, dass sie tatsächlich am Lernen sind.

Zu Beginn der ersten Woche gibt es zunächst einen Testlauf mit den Kolleg/innen, damit diese die Software installiert haben und bedienen können. Am Folgetag gibt es dann einen Testlauf mit den Schüler/innen und ihren Klassenlehrer/innen.

Lehrer/innen, die kein eigenes Gerät haben, mit dem man Videokonferenzen durchführen kann, können einen Schullaptop mit nach Hause nehmen. Bei den Schüler/innen, die evtl. kein eigenes geeignetes Gerät haben, müssen wir noch eine Lösung überlegen, wobei das meiner Erwartung nach nicht viele sein werden, da ein Smartphone für die Nutzung der Videokonferenz reicht. Da einige Schüler/innen im Zuge der Notbetreuung evtl. ohnehin in der Schule anwesend sind, könnte man es den Schüler/innen ohne Gerät auch ermöglichen, unter erhöhten Hygienemaßnahmen in die Schule zu kommen und an schulischen Geräten zu arbeiten.

Denkbare Alternativen – Es gibt zahlreiche Angebote für Video-Konferenzen. Jitsi Meet ist eine ganz einfache Lösung, bei der man einfach per URL einen „Konferenzraum“ eröffnen kann. Darüber hinaus gibt es natürlich Skype, Google Hangouts etc., die aber beide größere Datenschutzbedenken mit sich bringen, weil alle Teilnehmer/innen registriert sein müssen.

[Update 18.03.2020] Erste Erfahrung mit den Videokonferenzen

Am Dienstag hatten wir die erste Gesamtlehrerkonferenz per Zoom-Videokonferenz. Das hat erstaunlich gut geklappt mit ca. 40 Kolleg/innen. Wir haben wichtige Punkte abgestimmt und u.a. die unten genannte „Fernschulordnung“ beschlossen.

Heute, Mittwoch, fanden nun die ersten Videokonferenzen mit den Schüler/innen statt. Es waren zwei Klassenlehrerstunden anberaumt, so dass sowohl Klassenlehrer/in als auch Co-Klassenlehrer/in ihre Klassen treffen konnten. Das Ziel für heute war, die Lerngruppen wieder zu sehen, technische Probleme zu lösen und alles möglichst so hinzubekommen, dass nun am Donnerstag die regulären Videokonferenzen nach neuem Stundenplan stattfinden können.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass diese Zusammenkunft heute – mit jeweils einer halben Gruppe, s.o. – sehr schön und gemeinschaftsstiftend war. Jeder sieht alle anderen vor der Kamera, es ist nicht das Selbe wie im Klassenzimmer, aber es bringt die Schüler/innen und uns Lehrer/innen auf ähnliche Weise zusammen. Ich konnte fragen, wie es allen geht, ob es Fragen gibt, künftig kann man Fragen zu den Aufgaben klären, motivieren, auch zusammen lachen und positive Energie teilen.

Ab morgen früh bietet ein Kollege zum Beispiel jeden Wochentag Morgen-Yoga für die ganze Schule per Videokonferenz an. Man trifft sich in seinem Meetingraum und alle, die Lust haben, machen eine halbe Stunde Yoga zusammen. Er macht vor, die anderen machen nach. Wer sich dabei nicht zeigen möchte, schaltet natürlich einfach seine eigene Kamera aus.

[Update 18.03.2020]: Support für alle Beteiligten

Inzwischen haben wir auch ein Support-Team von sieben Kolleg/innen eingerichtet, das über eine zentrale E-Mail-Adresse erreichbar ist. Es hilft Kolleg/innen, Eltern und Schüler/innen bei technischen Problemen, schickt Zugangsdaten etc. Das scheint mir sehr wichtig und zentral zu sein, damit sich niemand in der Schulgemeinschaft durch technische Hindernisse abgehängt fühlt.

[Update 18.03.2020] Fern-Schulordnung und Regeln für die Videokonferenzen

Inzwischen haben wir uns weiter Gedanken gemacht und u.a. eine kurze „Fernschulordnung“ mit dem Ziel, dass auch während der Schulschließung sich alle in der Schulgemeinschaft wohlfühlen.

Fernschulordnung des Kreisgymnasiums Neuenburg

Außerdem haben die Schüler/innen auf den Intranetseiten Ihrer Klasse ein paar Regeln für die Videokonferenzen bekommen, die dazu beitragen sollen, dass diese möglichst reibungslos laufen.

[Update 22.03.2020] Nummer gegen Kummer

Während der Schließung der Schule sind Schüler/innen mit ihren Problemen viel stärker auf sich allein gestellt als sonst. Gespräche mit Freunden oder eine kurze Kontaktaufnahme mit Lehrer/innen in der Pause sind nicht mehr möglich. Daher haben wir ein zentrales Formular eingerichtet, mit dem sich Schüler/innen an uns wenden können, wenn sie in irgendeiner Form Gesprächsbedarf haben. Ca. zehn Kolleg/innen haben sich bereit erklärt, für solche (in der Regel telefonischen) Gespräche zur Verfügung zu stehen, so dass wir hoffentlich auch die menschlichen Herausforderungen der Schulschließung abfangen können.

[Update 22.03.2020] Gemeinschaftsangebote: Virtueller Pausenhof und Schultalk

Aus der SMV kam die Idee, einen virtuellen Pausenhof zu eröffnen, auf dem sich Schüler/innen während der Pausenzeiten zwischen ihren Videosessions treffen können. Dieser wird nun starten und wird von SMV-Schüler/innen der Oberstufe beaufsichtigt.

Außerdem bietet eine Kollegin zwei Mal die Woche abends eine Video-„Talkrunde“ an, wo sich alle Interessierten der Schulgemeinschaft zum Tagesausklang treffen können.

Fazit

Vielleicht hilft dieser Artikel ja auch anderen Schulen, ähnliche Konzepte auf den Weg zu bringen. Über Feedback und Verbesserungsvorschläge in den Kommentaren freuen wir uns natürlich.

17 Gedanken zu „Organisation des Unterrichts während der Corona-bedingten Schulschließung“

  1. Danke für die interessanten Einblicke in eure Planung. Kannst du sagen, welche Alternativen zu Zoom noch im Gespräch waren oder was ihr macht, wenn es damit nicht klappen sollte?!

    1. Als Alternative kommt meines Erachtens Jitsi Meet in Frage, bei dem man ad hoc mit einer URL einen Raum aufmachen kann. Sollte das auch nicht klappen, was wohl eher nur ein einzelnen Schülern der Fall sein dürfte, muss man dann wohl auf dem Textweg kommunizieren.

  2. Lieber Andreas, vielen, vielen Dank, dass Du Deine/Eure Arbeit auch immer gleich veröffentlichst! Das ist einsame Spitze und ich zolle Dir meinen höchsten Respekt, wie Du das „nebenher“ auch noch hinbekommst. Ja, sehen wir es als Chance und ich bin eigentlich ganz zuversichtlich. Viel Erfolg Euch!

  3. Danke für die hilfreichen Blogposts der letzten Tage! Zoom Rooms kostet nach einem 30-Tage-Test, wenn ich das richtig sehe, im Jahresabo 469 € pro Raum. Investiert ihr das tatsächlich?

    1. Zoom Rooms ist ein anderes Produkt – da geht es um fest installierte Hardware in einem Konferenzraum, in dem man dann auf diese Weise externe Teilnehmer/innen zuschalten kann. Das brauchen wir also nicht. So, wie ich das sehe, kann man Zoom tatsächlich kostenlos nutzen – in meinem Admin-Account wird immer noch angezeigt, dass wir den kostenlosen Basisplan haben, obwohl dich damit alle 45 Kolleg/innen verwalte. Selbst das 40 min Limit pro Sitzung kann auf Antrag (siehe Link oben) für Schulen aufgehoben werden (das ist bei uns aber noch nicht durch, sondern liegt noch bei Zoom).

      1. Wahrscheinlich habe ich Tomaten auf den Augen: Aber wie kann ich dann im Basisplan Räume anlegen? (Die Raumverwaltung führt zu Zoom Rooms.) Falls das hier zu weit führt, bitte den Kommentar ignorieren.

        1. Die Räume, die im Admin-Panel erscheinen, sind tatsächlich physische Räume und dafür braucht man dann Zoom Rooms. Das ist für die Schule nicht nötig. In meinem Artikel meine ich mit Räumen die Meeting-Räume der Kolleg/innen, die einfach aus der persönlichen URL bestehen.

          Hast Du meinen anderen Artikel mit der Zoom-Anleitung gesehen: https://rete-mirabile.net/lernen/zoom-videokonferenzen-schulen-anleitung/ – da gibt es auch Screenshots. Ich habe dort gerade noch mal den entsprechenden Absatz etwas klarer formuliert und einen Screenshot ergänzt.

          1. Oh, vielen Dank!! Den hatte ich gelesen, aber nicht mehr in diesem Detail präsent. So ist es jetzt sehr klar verständlich!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert