Einblicke in die molekulare Maschinerie von Lebewesen

In der Biologie kann man sich mit ganz unterschiedlichen Größenordnungen beschäftigen. Von Ökosystemen, deren Abmessungen in Kilometer angegeben werden bis hin zu Molekülen innerhalb von Zellen, deren Größe nur einige Mikrometer oder gar Nanometer beträgt.

Diese ganz kleine Welt der intrazellulären Prozesse ist für uns meist besonders schwierig zu verstehen. Durch lange Beschäftigung mit den verschiedenen Prozessen kann man ein Bauchgefühl dafür entwickeln, wie diese ablaufen und wie es in so einer Zelle aussieht. Für Schüler, die diese Welt neu kennenlernen, bleibt hingegen vieles völlig unverständlich, weil sie natürlich zunächst die Konzepte unserer mesoskaligen Welt auf diese Mikro- und Nanowelt übertragen.

Inzwischen gibt es allerdings einige innovative Bemühungen, die molekulare Welt der Zellen zu veranschaulichen. Und in vielen Fällen wird durch ein exakteres Bild der zellulären Prozesse die Faszination des Lebens noch größer als sie womöglich vorher schon war, denn die Zahl der Moleküle, die Geschwindigkeit der Abläufe und die Steuerung und Regelung der Prozesse ist atemberaubend.

Wer sich dieser Welt nähern möchte, kann zum Beispiel auf die faszinierenden Bildern von David Goodsell zurückgreifen. Er malt einzelne Aspekte von Zellen maßtsabsgetreu, so dass man ein Gefühl dafür bekommt, wie es in einer Zelle wirklich »aussieht« und wie die einzelnen Komponenten zusammen wirken. Sein Schnittbild durch eine Euzyte ist hierfür ein tolles Beispiel. Für mich enthielten diese Bilder zum Beispiel einen Aha-Moment, weil ich mir während meines Studiums eine Zelle immer als »mit Wasser gefüllten Sack« vorgestellt hatte. Das stimmt natürlich einerseits, aber in Goodsells Bildern wird deutlich, wie vollgepackt eine Zelle mit Proteinen und anderen großen Molekülen ist und dass die im Vergleich winzigen Wassermoleküle lediglich die Lücken zwischen den großen »Brocken« füllen.

David Goodsell hat auch ein sehr lesenswertes Buch geschrieben: Wie Zellen funktionieren. Das richtet sich nicht primär an Biologen, sondern ist allgemeinverständlich geschrieben. Ich habe es aber mit großem Gewinn gelesen, weil es Goodsell gelingt, die Welt der Zellen und die molekularen Abläufe immer wieder hervorragend anschaulich zu machen. Ein Beispiel:

Eine typische Zelle ist etwa 10 µm lang – das ist ungefähr 1000-mal kürzer als Ihr letztes Fingerglied. Einen 1000-fachen Größenunterschied kann man sich leicht vorstellen: Ein Reiskorn ist etwas 1000-mal kürzer als das Zimmer, in dem Sie sitzen. Stellen Sie sich vor, Ihr Zimmer wäre mit Reiskörnern gefüllt. So bekommen Sie eine Vorstellung von den etwa eine Milliarde Zellen, die Ihre Fingerspitze bilden.

Eine weitere Verkleinerung um den Faktor 1000 bringt uns in die Welt der Moleküle. […] Ein durchschnittliches Protein aus einer beliebigen Zelle enthält etwa 5000 Atome; seine Länge beträgt etwas ein Tausendstel der Länge einer typischen Zelle oder ein Millionstel der Breite Ihrer Fingerkuppe. Um sich diese Größenordnung vorstellen zu können, denken Sie auch jetzt wieder an ein Zimmer voller Reiskörner. So bekommen Sie eine Vorstellung von der Größe der Proteine, von denen es in jeder einzelnen Ihrer Zellen unzählige gibt.

David Goodsell: Wie Zellen funktionieren, S. 4 f

Solche Vergleiche und Modelle sind genau das, was Schülern helfen kann, sich diese fremde Welt besser vorzustellen.

Die faszinierenden Abbildungen aus diesem Buch dürfen für Vorträge und für den Unterricht kostenlos verwendet werden, sofern man den Autor nennt.

Goodsells Abbildungen werden inzwischen in vielen Bereichen verwendet. Das SUN Chloroplast E-Book ist dafür ein herausradendes Beispiel. Darin kann man die molekularen Vorgänge der Photosynthese in mehreren Detail- und Modellebenen gleichzeitig erfahren und sich dadurch eine vertiefte Vorstellung davon erarbeiten. Für die Schule ist das sicher zu detailliert, aber als Exkurs kann es auch für Schüler der Kursstufe interessant sein – sie müssen ja nicht jeden Elektronentransportvorgang im Detail verstehen. Der Einblick in die Abläufe ist meines Erachtens trotzdem geinnbringend.

Ich habe »Wie Zellen funktionieren« bei ZUMbuch besprochen.

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David Goodsell hat auch Drew Berry inspiriert. Dieser stellt in seinem TED Vortrag »Animations of unseeable biology« animierte Abläufe im Stil von Goodsell vor. Besonders faszinierend ist zum Beispiel die DNA-Replikation in Originalgeschwindigkeit, die ab ca. 3:40 min zu sehen ist.

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David Bolinsky präsentiert seine medizinische-biologischen Animationen ebenfalls in einem Vortrag bei TED: »Visualizing the wonder of a living cell«. Sein Stil ist etwas anders, nicht so ansprechend wie die Visualisierungen von David Goodsell, wie ich finde, aber dennoch einen Blick wert.

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Von der Harvard University gibt es eine ganze Reihe von Animationen, die auf BioVisions zu sehen sind. Leider habe ich keine Möglichkeit gefunden, die dortigen Videos in voller Bildschirmgröße anzuzeigen, was die Nutzung im Klassenzimmer eher schwierig macht. Dennoch ist die Website einen Blick wert. Faszinierend ist zum Beispiel in »The Inner Life of the Cell« die Animation eines Kinesins, das einen Vesikel entlang eines Mikrotubulus zieht. Die Konformationsänderungen des Proteins sehen aus, als ob es auf der Röhre Schritt für Schritt voran schreiten würde. Im selben Clip sieht man in verschiedenen Maßstäben bis hinunter auf die Protein-Ebene, wie weiße Blutkörperchen auf der Innenseite einer Kapillare entlang »rollen« und wie eines davon sich an einer Stelle zwischen zwei Endothelzellen hindurchzwängt, um den Blutkreislauf zu verlassen.

Fazit

Viele dieser Beispiele zeigen die zellulären Prozesse viel detailreicher als man das in der Schule im Einzelnen erarbeiten kann. Dennoch halte ich diese Abbildungen und Animationen für sinnvoll, um den Schülern einen Einblick in die für sie fremde Welt der Zellen zu vermitteln. An einzelnen Beispielen kann man bereits Gelerntes betrachten, bis zu einer bestimmten Detailebene auch besprechen und ansonsten einfach die faszinierenden Bilder wirken lassen (natürlich mit einer angemessenen Diskussion der modellhaftigkeit dieser Darstellungen).

 

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