Warum verstehen Schüler oft die „einfachsten Dinge“ nicht? Warum können sie sich ein Konzept, ein Faktum, eine Regel nicht merken, obwohl es doch so „einfach“ ist?
„[W]hen we know something, it becomes hard for us to imagine not knowing it.“
Chip and Dan Heath, die Autoren von Made to Stick, nennen diese Idee The Curse of Knowledge. In ihrem Fall sprechen sie über Ideen, die sich durchsetzen versus Ideen, die zwar gut sind, aber keine Verbreitung finden.
Der zitierte Satz hat auch in der Schule große Bedeutung. Eine der wichtigsten Eigenschaften für mich als Lehrer ist, mich in den „nicht-wissenden“ Geist hineinversetzen zu können. Oder noch besser: mich zu erinnern, wie es war, als ich selbst noch nicht wusste, was der Unterschied zwischen einem Gerund und einem Present Participle ist; wie ich die Tragweite der Rekombination bei der Meiose verstanden habe; wie es dazu kam, dass ich die Inversion bei Hochdruckwetterlage kapiert habe.
Wenn ich mich an diese Momente erinnere, kann ich den Weg der Erkenntnis auch für die Schüler nachvollziehen. Es besteht natürlich keine Garantie, dass es auf „meinem“ Weg auch für die Schüler funktioniert, aber das Wissen um meine eigene Unkenntnis lässt mich zumindest nachsichtig und verständnisvoll sein, wenn mir jemand nicht folgen kann.
Wenn ich mich an das Nichtwissen erinnere, gelingt es mir eher, den Weg zum Wissen zu ebnen, die einzelnen Erkenntnisschritte folgerichtig aneinander zu reihen, die richtigen Prämissen zu nennen.
Sehe ich im Umkehrschluss das Wissen als selbstverständlich an, entsteht Entfremdung, Unverständnis, kommt es vielleicht sogar zum Bruch in der Kommunikation. Die Schüler haben dann den Eindruck, ich sei abgehoben, überheblich, verstünde sie nicht. Und ich komme möglicherweise zu dem Urteil, die Schüler seien unfähig, nicht bei der Sache, nicht intelligent genug.
Wenn man bedenkt, wie viele Faktoren das Lernen, Verstehen und Behalten einer Sache beeinflussen (Vorwissen, Interesse, Zeitpunkt und Form der Darbietung, Eignung des Eingangskanals, persönliches Verhältnis zum Lehrer, physische und psychische Fitness zum gegebenen Zeitpunkt etc.) ist es beinahe verwunderlich, dass das Lernen in der Schule überhaupt funktioniert.
Machen wir uns als Lehrer häufiger klar, wie steinig der Lernweg für den nicht-wissenden Geist sein kann! Damit räumen wir einige Steine schon aus dem Weg.