Build something you can manage
[…] Bottom line: Build products and offer services you can manage. It’s easy to make promises. It’s much harder to keep them. Make sure whatever it is that you’re doing is something you can actually sustain — organizationally, strategically, and financially.
Der Kernsatz von Can you handle it? ist für mich: Es ist leicht etwas zu versprechen. Es ist deutlich schwieriger, das Versprechen auch zu halten. Auf die Schule übertragen könnte der Satz lauten: Es ist leicht, eine bessere Vorgehensweise für etwas zu finden. Doch es ist deutlich schwieriger, sie dauerhaft umzusetzen.
Es mangelt in der Schule nicht an guten Ideen. Selbstreflexion und damit auch Skepsis gegenüber dem eigenen Tun ist eine wichtige Grundlage des Lehrerberufs und so gehört die Suche nach besseren Methoden, geeigneteren Unterrichtsstrategien, effizienteren Arbeitsabläufen zum Arbeitsalltag.
Gerade wenn man noch recht „frisch“ in den Beruf eingestiegen ist und viele Abläufe noch nicht nach einem routinierten Schema vollzieht, sieht man sich oft mit einer Vielzahl von Optionen konfrontiert:
- Wie gestalte ich diese Unterrichtsstunde?
- Wie kann ich meine Schüler besser fördern?
- Wie kann ich Schülerleistungen angemessener würdigen?
- Wie kann ich meine Arbeitszeit besser nutzen?
In der Literatur, im Gespräch mit Kollegen und während der Ausbildung am Seminar erhält man dazu jede Menge Tipps. Doch die entscheidende Frage ist: Can you handle it — Kannst Du das dauerhaft umsetzen?
Dem Erfolg solcher Optimierungsansätze stehen oft zwei Hindernisse im Weg:
- Man muss bisherige Gewohnheiten und Arbeitsabläufe ändern.
- Um die Idee auf den Weg zu bringen und sie anschließend anzuwenden, ist eine Investition von Zeit und Energie nötig. (Im Folgenden setze ich der Einfachheit halber Zeit und Energie gleich.)
Wenn man noch nicht allzu lange als Lehrer arbeitet, ist die Umgewöhnung sicher nicht das Hauptproblem: die Arbeitsprozesse sind noch nicht so fest etabliert, dass man sie nicht problemlos modifizieren könnte. Für Routiniers könnte das schon eher eine Hürde sein — obwohl das natürlich stark von der Person abhängt. Da ich den Faktor „Routine“ (noch) nicht umfassend beurteilen kann, gehe ich darauf nicht näher ein.
Der Faktor Zeit ist dagegen immer relevant, denn „besser“ heißt ausgeschrieben oft „besser aber zeitintensiver“. Meine Eindrücke vom Lehrerseminar sind in dieser Hinsicht noch sehr lebendig: Wie oft stellte jemand mit leuchtenden Augen eine Methode vor, bei der die Schüler „ganz eifrig mitgearbeitet haben“, bei der sie „mit Freude, selbständig entdeckend“ einen Unterrichtsinhalt „wirklich verstanden und angewandt“ haben. So etwas möchte jeder gerne in seinem Unterricht erleben und darum ist man sehr gespannt, mit welchen Mitteln das erreicht wurde. Allzuoft stellt sich dann heraus, dass diesem Lernerlebnis seitens der Schüler eine Zeitinvestition seitens des Lehrers voranging, die um den Faktor fünf oder gar zehn höher war als die Dauer der Unterrichtsstunde. An diesem Punkt fällt meines Erachtens das Kartenhaus der „tollen neuen Methode“ in sich zusammen, den die Frage Can you handle it? muss dann mit „NEIN“ beantwortet werden.
Wie viel mehr kommt dabei heraus?
Das bedeutet natürlich nicht, dass man nichts Neues ausprobieren sollte oder dass nicht auch hohe Zeitinvestitionen gerechtfertigt sind. Doch bei der Auswahl der Methoden muss ich sozusagen den „Return on Investment“ im Blick haben. Ich muss mich fragen:
Wie viel mehr kommt bei diesem Ansatz im Vergleich zu bisherigen Vorgehensweise heraus?
Wenn ich zu dem Schluss komme, dass ich damit ein deutlich besseres Ergebnis erzielen kann, dann lohnt es sich vielleicht auch deutlich mehr Zeit als bisher zu investieren.
Im nächsten Schritt ist Can you handle it? allerdings wieder präsent: Wo nehme ich Zeit weg, um den neuen, zeitintensiveren Ansatz umzusetzen? Das Zeit- und Energiebudget ist endlich und wenn ich an einer Stelle mehr investiere, habe ich woanders weniger zur Verfügung.
Wenige Baustellen
Glücklicherweise nimmt der Zeitaufwand bei vielen Arbeitabläufen ab, wenn man sie routiniert tut.
Es erscheint daher sinnvoll, zu jedem Zeitpunkt nur an wenigen Stellen zu optimieren. Im Klartext: wenn ich gerade dabei bin, mich in ein völlig neues Unterrichtskonzept einzuarbeiten, dann schreibe ich zunächst einmal weiterhin meine gewohnten Vokabeltests auch wenn ich deren Form irgendwann noch verbessern möchte. Wenn das Unterrichtskonzept dann in Fleisch und Blut übergegangen ist, nehme ich mir die Optimierung der Vokabeltests vor usw.
Auf diese Weise erhöhe ich meine Zeitinvestition immer nur an einer oder an wenigen Stellen. Das kann ich durch eine Reihe von kleinen, wohlverteilten Reduktionen wieder ausgleichen. Wenn ich mir hingegen zu viel auf einmal vornehme, riskiere ich, dass das schöne Methodengebäude in sich zusammenfällt, weil ich einfach nicht die Zeit und die Energie habe, es dauerhaft aufrecht zu erhalten.
Wenn ich mich bei neuen Ideen konsequnt frage Can you handle it?, steigen die Chancen, dass meine Arbeit solide und befriedigend ist. Denn es ist sinnvoller, etwas Gutes tatsächlich zu tun, als etwas Besseres nur zu wollen.
„Das Bessere ist der Feind des Guten“ (Voltaire).
Dieser Artikel ist Teil einer Serie. Um ihn einzuordnen, lesen Sie am besten den einleitenden Beitrag: Getting Real in der Schule